11.05.2006; Erhard Thiele: Übersetzung aus: International Journal of Orofacial Myology: Kimberly K. Benkert: The Effectiveness of Orofacial Myofunctional Therapy in Improving Dental Occlusion

Kimberly K. Benkert, R.D.H., M.PH., C.O.M.

Die Effektivität der Orofazialen Myofunktionellen Therapie bei der Verbesserung der okklusalen Verzahnung

Fachübergreifende Zusammenarbeit und Integration sind gegenwärtig häufig gebrauchte Begriffe, um die Kooperation unterschiedlichster Fachsparten mit ähnlichen Zielsetzungen zu bezeichnen, die erstrebenswerte Resultate angehen, ermöglichen oder maximieren möchten. Professionelle Therapeuten auf dem Spezialgebiet der Orofazialen Myologie (Muskelfunktionstherapie-MFT) haben den MFT-Service auf diese Weise seit vielen Jahren fachübergreifend angeboten. MF-Therapeuten sind hervorgegangen aus den definierten Berufen Dentalhygiene, Zahnmedizin, Sprachheilkunde und anderen damit verbundenen Berufen. Diese Integration primärer Gesundheitsfürsorge-Anbieter stimuliert den Austausch interdisziplinären Wissens und klinischer Praxis durch die berufliche Vielfalt.

Über die Jahrzehnte ist die Grundphilosophie der orofazialen myofunktionellen Therapie (OMT) unverändert geblieben (Barrett and Hanson,1978; Hanson and Barrett, 1988); allerdings haben Fokussierung und Perspektive eine signifikante Erweiterung erlebt (Annunciato, 1995; Barnes, 1990; Benkert, 1995; Kellum und Grant, 1997; Leao und Sheiham, 1995; Riski, 1983; Riski, 1988; Light, 1995; Takada, Yashiro, Sorihashi, Morimoto, und Sakuda, 1996; und Yamaguchi and Sebata, 1995).

Die Ziele der Orofazialen Myofunktionellen Therapie haben sich ausgerichtet auf die Schaffung optimaler funktioneller Beziehungen zwischen dem orofazialen Muskelkomplex, den Temporo-mandibulargelenken [temporomandibular joint (TMJ)], myofaszialem Bindegewebe und den zugehörigen neuralen Systemen. Das Endresultat ist ein balanciertes, stabiles habitualisiertes und schmerzfreies, ausgewogenes Milieu.

Individualisierte Patientenbetreuung ist ausgerichtet an ergebnisorientierten Zielen, hervorgegangen aus Befundung, Auswertung, Diagnose, Behandlungsplanung und therapeutischer Umsetzung. In den Anfängen wurden den Patienten einige wenige Schluckübungen beigebracht mit denen sie sich selbst überlassen wurden in der Hoffnung, dass sie die neuen Muster habitualisieren würden, ohne Follow-up oder Reevaluierung.

Die Behandler waren nicht intensiv geschult und konnten auch kein umfassendes Behandlungsservice bieten. Heute haben die Orofazialmyologen (Muskelfunktions-therapeuten [MF-Therapeuten]) die Bedeutung der funktionellen Ruheposition der Zunge, Lippen und Mandibula erkannt und nehmen sich der generellen Probleme von orofazialmyofunktionelle Störungen (orofacial myofunctional disorders [OMDs]) an.

MFT-Techniken lassen sich wegen ihrer interdisziplinären Natur bei einer Vielzahl von Störungen anwenden.

MFT-Techniken und –Prinzipien lassen sich sowohl eigenständig, als auch in Cotherapie einsetzen bei Störungen wie Mundatmung, Ruheposition von Zunge, Lippen und Mandibula, Lippeninkompetenz, Dysfunktion der temporomandibulären Gelenke (TMJ) und Muskulatur, Zungenstoss-Schlucken, Kopf-, Hals- und Mandibula-Haltungsabweichungen, Kau-, Schluck- und Nahrungsaufnahme-Störungen, Streckung des verkürzten Lingual-oder Labialfrenums, bei inkorrekten Artikulations-Sprechmustern, bei oraler Dyspraxie (Bewegungskoordinationsstörung) und parafunktionellen Habits wie Bruxen und Pressen.

Viele MFT-Störungen können Okklusionsstörungen beeinflussen oder hervorrufen. Offener Biss und Overjet werden in der Literatur am häufigsten erwähnt, können aber auch Erkrankungen zur Folge haben , wie Zahnbogendiskrepanz, ungleichmässige Kauflächen-abrasion, Kauschwierigkeiten und eine Integritäts- und Funktions-Beeinträchtigung der Kiefergelenke. (Benkert, 1995; Enlow, 1982; Hanson and Barrett, 1988; and Woodall, 1993). Ein positiver Einfluss auf die Okklusion stellt sich ein als das direkte Resultat einer erfolgreichen MFT-Hilfe und Habitualisierung neuer Ruhehaltungs- und Schluck-Muster (Barnes, 1990; Curl, 1993; Daglio, Schwitzer, and Wuthrich, 1993; Gisel, Applegate-Ferrante, Benson, and Bosma, 1996; Light, 1995; Padovan, 1995; and Sasaki and Shibasaki, 1994)

Genereller Untersuchungsanlass

Frühe Versuche, die "Zungenstoss-" Schluckmuster mit der dentalen Malokklusion in Verbindung zu bringen lassen sich zurückführen auf Walter Straub (1962), der nach einer Erklärung für das kieferorthopädische Rezidiv suchte. Eine Vielzahl von Untersuchungen (Rogers, 1961; Werlich, 1962; Peat, 1968; Hanson and Andrianopoulos, 1987)hat die Wechselbeziehung zwischen MFT-Störungen und Malokklusion bestätigt., obwohl man in vielen Fällen nicht in der Lage war, Wechselbeziehung zwischen Ursache und Wirkung zu erklären. Die meisten MF-Therapeuten stimmen darin überein, dass der Hauptzweck ihrer Behandlung darin besteht, stabile Mundverhältnisse herzustellen, was beiträgt zu einem normalen Wachstums- und Entwicklungsprozess. nicht etwa nur, Zähne zu bewegen. Allerdings macht jahrelange klinische Erfahrung deutlich, dass Zähne bewegt werden – als Resultat der MFT (Pierce, 1978 and Snow, 1993).

Es ist Ziel und Zweck dieser Studie, Daten und statistische Analysen zu liefern um die Effektivität der MFT bei der Verbesserung der Zahnokklusion zu bestätigen oder aber zu widerlegen. Die Studie ist so ausgelegt, dass die folgenden Fragen Beantwortung finden:

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1. Kann aus der MFT eine Verbesserung der dentalen Okklusion resultieren? 

2. Verbessert MFT den offenen Biss?

3. Verbessert MFT dentale Overjets?

Die theoretischen Grundlagen

In Folge des negativen ASHA Positions-Statements 1975 begannen wissenschaftliche Forschung und Publikationen die anekdotenhaften Berichte über Erfolg und Misserfolg von „Zungenstosstherapie (Tongue Thrust) zu ersetzen. Heilberufler und entsprechende Mitarbeiter verweisen heute auf Richtlinien und Positionsstatements zur Unterstützung ihrer MFT-Konzepte, -Forschungen und –Methoden wie beispielsweise ASHA, 1991; ADHA, 1992; AAO, 1993; IAOM, 1993 and 1997. Eine Vielzahl von quantitativen und Qualitativen Untersuchungen trägt dazu bei, das wissenschaftliche Fundament auf- und auszubauen, basierend auf Zusammenarbeit und Integration interdisziplinären Wissens und Könnens. Enlow (1982) beschreibt die Notwendigkeit, einen Zustand funktionellen Gleichgewichts zu erzielen, um Form und Funktion harmonisch zu vereinen. Balance wird erreicht durch äquivalente Prinzipien kraniofazialen Wachstums und funktioneller Entwicklung (Owen, 1983). In einer Serie von vier Arbeiten, kam Moss (1997a,b,c,d) zurück auf die Hypothese der Funktionellen Matrix (functional matrix hypothesis (FMH), die er als Weiterentwicklung des funktionellen Gleichgewichts-Rahmenkonzeptes schuf. In einer Art Einleitung schreibt Enlow:" Diese (Theorie) wird diejenige sein, auf welche man sich noch in Jahrzehnten beziehen wird und diejenige, welche Studenten derzeit in ihren Seminaren diskutieren."

Das Konzept der Funktionellen Matrix erklärt den genomen (intrinsischen) und epigenetischen (extrinsischen oder auch als umweltbedingt bezeichnet) Einfluss auf Wachstum und Entwicklung. Die verschiedenen untersuchten und beschriebenen Matrices unterstützten ursprünglich die genome Theorie genetischer Steuerung und Prädetermination als den ursächlichen oder Kontrollfaktor in der Morphogenese. Die vier Moss-Artikel von 1997 evaluieren den Funktionellen Matrixfaktor (FMH) von einer mehr anatomischen Basis her. Die Mechanismen der zellulären Mechanotransduktion und der biologischen Netzwerk-Theorie wurden eingeführt als zusätzliche extrinsische (externe oder Umwelt-) Matrices. Eine dialektische Analyse sprach die Notwendigkeit an, die Hypothese der Funktionellen Matrix ( functional matrix hypothesis [FMH]) neu einzuschätzen und grösseres Gewicht zu legen auf die epigenetischen (externen) Matrices. Dieser bedeutsame Wandel betont mehr die funktionellen und umweltbedingten Aspekte als frühere theoretische Konstrukte. Moss (1997 b,c) bezieht sich auch auf die Differenzierung der Zellen während der kraniofazialen Entwicklung als unter epigenetischem (funktionellem) Einfluss. Wenn die funktionale Matrix Informationen vom periostalen Stimulus überträgt könnte eine Veränderung auf struktureller Ebene bewirkt werden durch Signale an die Zellen der skelettalen Einheit (Knochen). Die intrinsischen, muskuloskelettalen Belastungen können rasche Veränderungen bewirken und sich klinisch bemerkbar machen. Das Hinzufügen einer extrazellulären Matrix-Deformations-Theorie bestätigt gleichfalls den dynamischen Prozess von Deformationspotentialen in formativen und Entwicklungsprozessen. Epigenetische Mechanismen werden als Hebel zur Auslösung einer Kettenreaktion von Informationen angesehen, welche zurückführt auf die zelluläre Ebene und so die Veränderung bewirkt (1997 b,c).

Eine Überprüfung des periostalen funktionellen Matrixprozesses erklärt, was durch die mechanische Belastung bezüglich des Knochen-An- (+) und Abbaues (-) geschieht. Selektive Osteoblasten- (+)und Osteoklasten- (-) Veränderungen stellen sich heraus als Resorption die den Depositionsprozess begleitet. Voraussehbares Richtungswachstum und Entwicklung treten ein, wenn die Theoriedynamik sich überträgt auf ein harmonisches, ausgeglichenes Umfeld. Dysfunktionen vermindern Balance und Gleichgewicht und fördern so inkongruente und nichtvoraussehbare Veränderungen. Moss (1997d) stellt fest:" Es bleibt nur die Tatsache festzustellen, dass für Muskeln wie Knochen mechanische, epigenetische Faktoren, allgemein als Funktion (oder Übung) bezeichnet, ganz entscheidend das Muskuloskelettalwachstum, die Entwicklung und die Wahrung struktureller und physiologischer Eigenschaften beherrschen. " Als Schlussbetrachtung zur FMH-These und Antithese bietet Moss (1997d) eine Erklärung ähnlich der von Anhängern der Grundphilosophie der orofaczialen Muskelfunktionstherapie. Er kommt zu dem Schluss: "Zusammen bieten sie (Genom und Epigenetik) die nötigen und hinreichenden Grundlagen für die Kontrolle (Regulation) der Morphogenese. Nichtsdestoweniger sind epigenetische Prozesse und Ereignisse der nächstliegende Anlass für die Entwicklung, und als solche sind sie die primären Faktoren."

Enlow (1982), Graber and Swain (1985), Wilkins (1994) and Woodall (1993) beschreiben die kraniofaziale Entwicklung und Veränderungen in der Dentition als von den vorrangigen Faktoren Druck und Spannung geleitet, die auf die Gesichtsknochen und das Periodont ausgeübt werden. Anatomische, physiologische, neurotrophe, umweltbedingte und funktionelle Einflüsse beherrschen den Erneuerungsprozess des Knochens. Diese Einflüsse üben Druck und Spannung auf das Periost und senden neurogene Signale durch die Periodontalmembran aus. Die vorherrschend adaptiven Fähigkeiten der Periodontalmembran tragen dazu bei, das ausgewogene okklusale Erscheinungsbild zu erhalten um extrinsische Druck- und Spannungsüberlastung auf das Periodont zu vermeiden. Der „Sling"(Bandagen-)Effekt der Periodontalmembran wirkt wie ein "Sicherheitsnetz" beim Absorbieren von Druck und Spannung.

Die Kräfte, die entstehen, wenn fehlerhafte funktionelle Abläufe oder fehladaptierte Muskelaktivitäten auf die kraniofazialen Strukturen des Gesichtsschädels, das Periodont der Maxilla und/oder der Mandibula, die Periodontalmembran oder das Temporomandibulargelenk mit umgebender Kapsel einwirken, rufen Veränderungen durch selektives Drücken oder Reizung hervor. Veränderung und Anfälligkeit bezüglich der Umgebung bedingen die generelle Widerstandsfähigkeit des orofazialen Komplexes resistent gegen negative Ladungswechsel zu bleiben. Die Häufigkeit, Intensität und Dauer funktioneller Abläufe und Habits sind signifikant bei der Verursachung maladaptiver Veränderungen. (Annunciato, 1995; Benkert, 1995; Enlow, 1982; Gelb, 1977; Hanson und Barrett, 1988; Moss, 1997a,b,c,d; Wilkins, 1994; und Woodall, 1993). Der Einfluss übermässiger Kräfte auf die Periodontalmembran und die Weichgewebematrix bewirkt eine Umbildung der Facialstrukturen und beeinflussen den Wachstums- und Entwicklungsprozess negative, was den negativen von Muskelfunktionsstörungen („orofacial myofunctional disorders –OMDs") auf Kinder und Heranwachsende erklärt.

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Auch bei Erwachsenen verursacht die Unfähigkeit den übermächtigen Einflüssen von Muskelkräften oder funktionellen Abläufen zu begegnen sogar Veränderungen an vollentwickelten Geschehen. Umgekehrt hat die Beseitigung negativer Kräfte durch ein Retraining das Potential den schädlichen Verlauf teilweise oder ganz umzukehren. Skepsis und Diskussionen gibt es allerdings immer noch bezüglich der Rolle der Orofazialmyologie als primärer oder kooperierender Eingreifmöglichkeit für orofaziale Muskelfunktionsstörungen. Der „Form gegen Funktion" Streit stört immer noch den Status der orofazialen Muskelfunktionstherapie (OMT) als präventive, frühinterzeptive oder korrektive Therapiemassnahme, speziell im Entwicklungs- und Mischdentitionsstadium. Vornehmlich Zahnärzte, Kieferorthopäden und andere Fachtherapeuten nutzen noch immer das Alter oder andere selbsterdachte Richtlinien als Basis für die positive oder negative Entscheidung auf Überweisung. Bedauerlicherweise wurde in einer noch immer von zahnmedizinischen Fachleuten zitierten Veröffentlichung, (Proffit and Mason, 1975) konstatiert, dass „selbst bei Malokklusion die therapeutische Intervention für Schluckmuster Veränderungen nicht vor der Pubertät indiziert ist (Das Reifestadium ist wichtiger, als das chronologische Alter.)"

Pierce (1988) andererseits belegt den Wert der Frühintervention zusammen mit anderen Autoren (Benkert, 1995; Edger, 1985; Hanson and Barrett, 1988; Ingervall and Eliasson, 1984). Überweisung, Befundung und Behandlung sind effektvoll beim Abfangen abnormer Einflüsse und gestatten dem Wachstums- und Entwicklungs-Prozess, sich in normalerem Rahmen fortzuentwickeln. (Daglio, Schwitzer, and Wuthrich, 1993; Magnusson, 1989; Parker, 1989; Prosterman, Fisher, and Gornitsky, 1995; Varrela and Alanen, 1995).

Wie zuvor in Bezug auf Straubs Pionierarbeiten konstatiert folgt nur all zu häufig ein Status der Instabilität oder des Rückfalls nach orthodontischer Behandlung, der die Überweisung zum Myologen nach sich zieht. Artikel wie der von Denison (1989) ignorieren das Potential des negativen Effektes orofazialer Muskeldysfunktionen so lange, bis der Rückfall eintritt. An diesem Punkt wird dann die Muskelfunktion in Betracht gezogen und Optionen für eine Korrektur erwogen. Selbst dann wird die OMT nicht erwähnt oder andere therapeutische Massnahmen die eine stabiles orales Umfeld erzeugen können. Huang, Justus, Kennedy, and Kokich (1990) sprechen zwar die zerstörerischen Kräfte an, die zu Rückfällen führen können, sie erwähnen jedoch keine Methoden für eine therapeutische Intervention zur Korrektur der Zungen-Haltung oder –Lagerung. Ihr Artikel untersucht die Anwendung von „Crib"- Apparaturen und bestärken die Meinung dahingehend, dass die Korrektur des Offenen Bisses durch diese mechanische Methode generell nicht Erfolg versprechend ist, wenn die Zungen-, Lippen- oder Mandibel-Rastposition oder eine Muskelunbalanciertheit unbehandelt bleibt.

Überprüft man die Ansicht von Lehrbüchern hierzu, so findet man die Notwendigkeit einer Befundung oraler Muskel-Funktionen / -Dysfunktionen und deren Implementierung zur Behandlungsplanung hervorgehoben, um Harmonie und Langzeitstabilität der Dentition zu gewährleisten (Enlow, 1982; Graber and Swain, 1985; Hanson and Barrett, 1988; Morgan, House, Hall and Vamvas, 1982; Wilkins, 1994; and Woodall, 1993).

Enlow (1982) stellt fest, dass"…..die räumliche Anordnung des Knochens und die kraniofazialen Beziehungen durch Faktoren wie Mundatmung, exzessive Kaufunktion und ähnliches geprägt werde". Er stellt weiterhin fest: "Obwohl der endgültige Beweis noch immer nicht erbracht ist, gehen die meisten Untersucher davon aus, dass die Funktion bei der Definition der Grösse und Ausformung der Mandibula eine weitaus grössere Rolle spielt, als bisher angenommen."

 

Varrela and Alanen (1995) stellen fest:" Malokklusion scheint zusammenzuhängen mit den verschiedensten Störungen in der funktionellen Balance der Mund- und Gesichtsmuskulatur. Aus klinischer Sicht ist das wichtigste Element der neuen Erkenntnisse, dass ein Grossteil der Fehlokklusionen, die die Kieferorthopäden heute behandeln umgebungsbedingt sind und, zumindest theoretisch, verhinderbar. Man kann die Prävention daher als potentielle Alternative zur aktiven Behandlung sehen."

Einige veröffentlichte Untersuchungen haben Longitudinaldaten zur Messung der Veränderungen in der Zahnokklusion bei relativ kleinen Gruppen verwandt, bei denen orofaziale myofunktionelle Therapie (OMT) angewandt wurde Hanson and Hanson (1975), Hanson and Andrianopoulos (1981), Hanson and Andrianopoulos (1987), and Kellum, Hale, Sisakun, Messer, Benson, Gross, and Bishop (1989); alle dokumentierten positive Ergebnisbeziehungen von Okklusalveränderungen durch OMT.

Hypothesen, Untersuchungsmethoden und Messungen

Zielsetzung: Das Ziel dieser retrospektiven Untersuchung ist, festzustellen, ob die Zahnokklusion verbessert wird, wenn orofaziale myofunktionelle Therapie (OMT) bei den Patienten angewandt wird. Es werden deskriptive und inferentielle (schlussfolgernde) Studien durchgeführt, um herauszufinden, ob die Zahnokklusion durch die Anwendung von orofazialer myofunktioneller Therapie verbessert werden kann. Solche deskriptiven und inferentiellen Statistiken werden zur Datenanalyse und Ergebnisdiskussion eingesetzt.

Null- Hypothesis- Statement: Orofaziale myofunktionelle Therapie hat keinen Effekt auf Zahnfehlstellung, Zahnbewegung bei Offenem Biss und/oder Zahnbewegung bei Overjet.

Untersuchungsmethoden und Messungen: Eine Studie mit 100 Krankenberichten wurde im Rahmen eines Convenience Sampling Process zufällig ausgewählt aus mehr als 3.500 Dokumentationsunterlagen aus Privatpraxen von Patienten mit orofazialer myofunktioneller Therapie zwischen 1985 und 1997. Alle Teilnehmer oder deren Aufsichtspersonen unterschrieben eine Erklärung oder wurden darüber informiert, dass die Daten für Ausbildungs- oder Forschungszwecke unter Wahrung der Anonymität genutzt werden könnten. Es wurde für die ausgewählten Patienten keine Entschädigung für die Teilnahme vorgesehen.

Teilnahmekriterien: Teilnahmeberechtigt waren Patienten mit den folgenden Kriterien:

–Zahnfehlstellungen im posterioren und/oder anterioren Bereich.

–Zahn-für-Zahn-Messungen, aufgenommen während der Erstuntersuchung unter Anwendung der in dieser Studie beschriebenen Technik.

–Offener Biss an drei oder mehr Zähnen über 1 Millimeter zum Zeitpunkt von Erstuntersuchung und Therapiebeginn.

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– Overjetv an drei oder mehr Zähnen über 1 Millimeter zum Zeitpunkt von Erstuntersuchung und Therapiebeginn.

– Zeitrahmen zwischen Erstuntersuchung und Therapiebeginn .nicht grösser als zwei Monate

– Therapiebeginn und –durchführung wie zur Erstuntersuchung verordnet.

– Minimum- Recall/Recheck-Untersuchung ein oder mehrere Jahre nach Behandlungsabschluss

–Krankenblattnachweis über Kieferorthopädiebehandlung vor, während oder nach abgeschlossener orofazialer myofunktioneller Therapie

– Krankenblattnachweis, ob die Überweisung wegen Rezidivs erfolgte

– Krankenblattnachweis, dass keine weitere Intervention nach abgeschlossener orofazialer myofunktioneller Therapie wegen der erzielten Normokklusion und funktionell balancierten Orofazialmuskulatur erforderlich war

–Abschlussmessungen von Offenem Biss und Overjet vor Entlassung des Patienten aus der Recall/Recheck-Phase

Die Zufallsauswahl erfolgte bis 100 Patienten ausgewählt waren, die die Einschlusskriterien erfüllten. Insgesamt 158 Krankenblätter wurden gesichtet um die 100 für die Studie benötigten zu erreichen.

Ausschlusskriterien: Krankenblätter wurden ausgeschlossen nach den folgenden Ausschlusskriterien:

–Dateien ohne jegliche Einschlusskriterieninformations-Dateien

–Offener Biss und/oder Overjet – Messungen nicht durchgeführt auf „tooth-by-tooth Basis" zu Beginn oder Behandlungsende

–Restierende, unbehandelte Luftwegbeeinträchtigung zu Behandlungsende

– Restierendes, unbehandeltes ankylosiertes Zungenband zu Behandlungsende

–Patienteneinbestellung nur wegen Fingernuckelhabit

– Patienteneinbestellung nur wegen temporomandibulärer Muskeldysfunktion

–Zahnmessungen der Permanentes ausgeschlossen wegen nur der Hälfte durchgebrochen zum Untersuchungszeitpunkt (basierend auf Durchbruchstabellen)

–Karteien vor 1985 auszuschliessen wegen Änderungen in der Datenerfassung.

Beschreibung der therapeutischen Massnahmen

Die an der Studie teilnehmenden Personen hatten ein abgeschlossenes Programm orofazialer myofunktioneller Therapie in der Praxis des Untersuchenden hinter sich. Die Therapie war individualisiert zugeschnitten auf die Bedürfnisse der Patienten und enthielten Übungen zur Stärkung oder Tonisierung der Muskulatur von Zunge, Lippen und Gesicht, zur Eliminierung jeglicher vergesellschafteter Habits, zur Korrektur der Zungenruhelage zur Verbesserung des Bewegungsumfanges der Kiefergelenke und –Kapseln und zur Beseitigung von Schmerz und Spannungen in Verbindung mit Gelenkdysfunktionen.

Das Therapieprogramm setzte sich wie folgt zusammen:

–Intensivphase (12 – 28 wöchentliche Beratungen je nach Bedarf)

–Habitualisierungsphase ( 2-6 monatliche oder quartalsweise Beratungen)

-Recall/Recheckphase (1-4 halb oder einjährliche Beratungen)

Spezielle Behandlungsmethoden sind in den verschiedensten Anweisungen beschrieben (Benkert, 1995; Barrett and Hanson, 1978; Hanson and Barrett, 1988; Garliner, 1976; Pierce, 1993; and Zickefoose, 1989).

Definition der Messungen und Techniken

Zum Zeitpunkt der Eingangsuntersuchung wurde die Okklusion bezüglich Molaren- und Eckzahnbeziehung gemäss Angel-Klassifikation der Okklusion zugeordnet. Offener Biss und Overjet wurden ermittelt mit einer Williams-Periodontalsonde auf Zahn-zu-Zahn-Basis. Die Messungen für Offenen Biss und Overjet wurden in Okklusion durchgeführt, um eine stabile zentrische Grundlage zu schaffen.

Die herkömmliche Methode zur Beschreibung von Offenem Biss und Overjet stützt sich auschliesslich auf die anterioren sechs Zähne (canine-to-canine). Die folgenden Definitionen von Offenem Biss und Overjet ergeben eine Methode zur Messung von relativen Veränderungen und Gesamteffekt auf den ganzen Bogen auf der Basis einer Tooth-by-Tooth Analyse.

Offener Biss, wie er für diese Studie definiert wird, ist die Fehlstellung jedes Zahnes zu seinem Antagonisten im Gegenzahnbogen. Offener Biss-Messungen wurden für jeden durchgebrochenen Zahn im gesamten Zahnbogen vorgenommen an Stellen, wo der okklusale oder inzisale Kontakt fehlte und eine Lücke bestand zwischen den Zähnen der Mandibula gegenüber der Maxilla von mehr als 0,125mm. Die Periodontalsonde wurde parallel zur bukkalen/facialen Fläche des Zahnes angesetzt und rechtwinklig zur inzisalen oder okklusalen Fläche gehalten. Die vertikale Messung erfolgte von Inzisalkante zu Inzisalkante respektive von okklusaler Höckerspitze zu Höckerspitze an der weitesten Öffnungsstelle auf Zahn-zu-Zahn-Basis an jeder Stelle, wo eine Lücke bestand.

Overjet, wie für diese Studie definiert, bezieht sich auf die horizontale Veränderung in bukkaler oder lingualer Richtung in der inzisalen oder bukkalen Ebene als horizontale Differenz zwischen dem inneren und/oder äusseren Artikulationspunkt zwischen den maxillären und mandibulären Zähnen. Messungen wurden für jeden durchgebrochenen Zahn vorgenommen an Stellen, wo der horizontale Abstand zwischen der (inneren) bukkalen/labialen Fläche des mandibulären Antagonisten einen Abstand von mehr als 1mm hatte. Im distalen Bereich wurden Messungen >1mm genommen von der bukkal-okklusalen Fläche der mandibulären Zähne zur Kontaktstelle mit den maxillären Antagonisten. Der angegebene horizontale Abstand galt für die (bukkal/lingualen) Overjets und/oder anterior/posterioren) Kreuzbisse. Kreuzbisse wurden als negativer Wert vermerkt. Eine Kante-zu-Kante (edge-to-edge) Okklusion im anterioren und /oder posterioren Bereich wurde als zero Overjet und zero Offener Biss vermerkt. An Stellen, an denen ein Zahn in Offener Biss- und Overjet-Position stand, wurde der Offene Biss wie oben beschrieben gemessen. Die Overjet-Messung wurde durchgeführt wie oben angegeben mit einem Zungendepressor parallel zur facialen oder bukkalen Oberfläche um eine vertikale Stabilisierung und einen Referenzpunkt (Messinstrument und Zungendepressor im rechten Winkel zueinander) zu bilden.

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Eintragungen wurden in fünf Gruppen unterteilt:

B: Patienten mit Kieferorthopädie bevor beginnender OMT

B.R: Patienten mit Kieferorthopädie bevor OMT und Überweisung nach orthodontischem Rückfall

D: Patienten mit Kieferorthopädie während OMT ( auch mit KFO-Behandlungsbeginn vor, aber auch fortlaufend während der Intensiv- und Habitualisierungs-Phase von OMT)

A: Patienten mit Kieferorthopädie-Beginn nach Abschluss der Intensiv- und Habitualisierungs-Phase vom OMT –Programm oder vor der letzten Recall/Recheck-Sitzung.

N: Patienten ohne Kieferorthopädie vor, während oder nach der OMT ( die Patienten wurden zahnärztlich untersucht darin betätigt, dass wegen der Korrektur der Bezahnung kieferorthopädische nicht länger nötig war.)

Resultate

Die geschlechtlsbezogfene Probandenverteilung zeigte 6o weibliche und 40 männliche. Das Durchschnittsalter betrug 14,19 Jahre für das gesamte Probandengut mit einer Standartdeviation von 7,87. Zur Veröffentlichung wurden die Untersuchten in Altersklassen eingeteilt, die in Fünfjahres-Schritte gegliedert waren (z.B. 5, 10, 15,…..40), wobei jeder Altersabschnitt 2,5 Jahre auf jeder Seite des „Basis"-Alters einnahm.(Fig.1).

 Fig. 1: Altersverteilung bei 100 Probanden

 

 

 

Die Altersabschnitte mit der grössten Anzahl an Probanden waren die 10. 2.5 (7,5-12,5) jährigen und die 15. 2.5 (12,5.17,5) jährigen. Die Altersverteilung war zwischen männlich und weiblich weitgehend konstant ( Fig. 2 und 3).

 

 

 

Das Durchschnittsalter der weiblichen Probanden betrug 14,6 Jahre mit einer Standartdeviation von 7,98 und für männliche 13,5 Jahre mit einer Standartdeviation von 7,76. Die 100-Patienten- Untersuchungserhebung enthielt keine männlichen Probanden in den Altersgruppen 20. 2,5 (17,5 – 22,5) und 35. 2,5 (32,5 – 37,5).

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Die Probanden dienten als ihre eigene Kontrolle. Verglichen wurden die Messungen vom Offenen Biss und Overjet vor und nach der Behandlung. Der Offene Biss und Overjet wurden unabhängig kontrolliert, da nicht alle Patienten in der Studie für beide Messungen zur Verfügung standen. Eine T-Teststatistik von einer vergleichenden Zwei-Test- Probe wurde angewandt, um den Offenen Biss beziehungsweise Overjet auszuwerten.

Der Offene Biss, n=90, hatte einen mittleren Wert von 1,82mm vor Behandlung und 0,31mm danach. Die Standartdeviation für die Offenen-Biss-Messung betrug 1,27 vor und 0,51 nach Behandlung. Der errechnete Wert für die vergleichende zwei-test Proben Statistik war 11,67 mit einem resultierenden p-Wert unter 0,0001 (Tabelle 1).

 

Der Overjet n=91 zeigte einen Durchschnittswert von 3,07mm vor und 1,61 nach Behandlung. Die Standartabweichung für die Overjetmessungen betrug 1,35 vor und 1,21 nach Behandlung. Der errechnete Wert der paired two-sample statistic betrug 11,06 mit einem errechneten p-Wert deutlich kleiner als 0,0001 (Tab.2).

 Ein T-Test wurde angewandt, um zu bestimmen, ob ein bemerkenswerter Unterschied zwischen männlichen und weiblichen Patienten besteht bei „ vorher und nachher" Messungen bei Offenem Biss und/oder Overjet. Es wurden keine bemerkenswerten Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Patienten zur Optimierung bei Messung von Offenem Biss Zahnstellungen festgestellt. ( Tab.3 und Fig. 4,5,6)

Inferenzstatistik – T-Test

• Der T-Test ist ein Verfahren zur Überprüfung der
Frage, ob die Mittelwerte zweier Erhebungen (zwei
Untersuchungen [unabhängig] oder zwei Erhebungen an
einer Untersuchungen [abhängig]) sich nur zufällig
voneinander unterscheiden, oder ob sich die
gefundenen Unterschiede auf die jeweils zugrunde
liegenden Grundgesamtheiten übertragen lassen
(statistische Signifikanz).
Quelle:Website der Universität Karlsruhe 060706

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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(weiter mit Tabelle 4

 

 

 

Die Auswirkungen einer zeitlichen Abstimmung für eine orthodontische und myofunktionelle Therapie wurden ebenfalls in der Studienplanung berücksichtigt. Bezüglich des zu untersuchenden Timingfaktors galt es festzustellen, ob es einen optimalen Zeitpunkt für den Beginn der OMT-Programmes und/oder Kieferorthopädie gibt, wenn beide zu Beginn indiziert sind. Die durchschnittliche Verbesserung bei Offenem Biss (Tab.5) und Overjet(Tab.6) wurde einer Varianzanalyse unterzogen (ANOVA) für alle fünf zuvor beschriebenen Kategorien unterzogen (B, B.R, D, A und N).

Als Varianzanalyse (eigentlich Varianzanalysen) bezeichnet man eine große Gruppe datenanalytischer und mustererkennender statistischer Verfahren, die zahlreiche unterschiedliche Anwendungen zulassen. Ihnen gemeinsam ist, dass sie die Varianz analysieren, um Aufschlüsse über die hinter den Daten steckenden Gesetzmäßigkeiten zu erlangen. Die Varianzanalyse wird in vielen Computerprogrammen auch als ANOVA für analysis of variance bezeichnet.(Quelle Wikipedia 080706)

 

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Die p-Werte für den ANOVA –Test für den Offenen Biss und Overjet zeigen keine signifikanten Unterschiede unter den fünf Gruppen bei alpha = 0. Dies bedeutet, dass keine individuelle Sequenz von Behandlungen gefunden wurde, die im Vergleich effektiver bei der Verbesserung der dentalen Okklusion für Offenen Biss oder Overjet war.

Der rule-out (Ausschlussverfahren) für die Okklusion durch Orthodontie, Gruppe B (KFO vor OMT) und Gruppe D (KFO während OMT) wurde verknüpft, um eine Untersuchungsgruppe von Patienten mit vorheriger oder gleichzeitiger KFO-Behandlung zu ergeben. Die Gruppen A (KFO nach OMT) und N (keine KFO) wurden verknüpft, um eine Untersuchungsgruppe von Patienten zu ergeben, bei denen die OMT vorgenommen wurde ohne KFO-Behandlung. Für die Overjetmessungen ergaben sich keine signifikanten Unterschiede zwischen den definierten Gruppen (Tab.7).

 

Allerdings war für die Offner Biss Messungen die Verbesserung unter den kombinierten Gruppen A und N grösser, als für die Bund D-Gruppe mit einem p-Wert von 0,0237 (Tab. 8)

Ein Streudiagramm ist die graphische Darstellung von beobachteten Wertepaaren zweier statistischer Merkmale, also für einen bivarianten Datensatz. Diese Wertepaare werden in ein kartesisches Koordinatensystem eingetragen, wodurch sich eine Punktwolke ergibt.. Quelle WIKIPEDIA 060710

Scatter Plots wurden angewandt, um Zahnstellungsverbesserungen für Offenen Biss und Overjet als Faktor von Patientenalter grafisch darzustellen, Offener Biss (Fig.10), Overjet (Fig.11.).

 

 

 

Die Regressionsanalyse ist ein statistisches Verfahren zur Analyse von Daten und geht von der Aufgabenstellung aus, so genannte einseitige statistische Abhängigkeiten (d. h. statistische Ursache-Wirkungs-Beziehungen) durch so genannte Regressionsfunktionen zu beschreiben, und ist damit ein wichtiges Werkzeug der Systemidentifikation. Dazu verwendet man oft lineare Funktionen, aber auch quadratische Funktionen und Exponentialfunktionen.

Regressionsanalysen wurden für Offenen Biss (Tab.9) und Overjet (Tab.10) durchgeführt. Die Offene- Biss Analyse zeigt keine signifikante Korrelation zwischen Patientenalter und durchschnittlicher Zahnstellungsverbesserung. Bei Offenem Bis wie auch Overjet können weniger als 2,5% der dokumentierten Verbesserung dem Patientenalter während der Behandlung zugeschrieben werden.

Der Pearson Korrelationskoeffizient beträgt -0,155(n=90) für den Offenen Biss und -0,047 (n=91) für den Overjet. Keiner der beiden ist signifikant bei einem alpha = 0,05 8gewonnen aus Tab 9 und 10).

 

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Karl Pearson's Χ²-Verteilung : Wahrscheinlichkeitsverteilung über der Menge der positiven reellen Zahlen. / Im Allgemeinen ist mit "Chi-Quadrat-Verteilung" die zentrale Chi-Quadrat-Verteilung gemeint. Ihr einziger Parameter n muss eine natürliche Zahl sein und heißt ihre Freiheitsgrade. / Die Chi-Quadrat-Verteilung ist eine so genannte Untersuchungsverteilung, die bei der Schätzung von Verteilungsparametern, beispielsweise der Varianz, Anwendung findet. / Die Chi-Quadrat-Verteilung benutzt man zur Beschreibung der Summe quadrierter Zufallsvariablen, die ihrerseits jeweils einer Normalverteilung genügen.

Diskussion

Die statistische Analyse demonstriert quantitativ, dass eine Zahnbewegung als Resultat orofazialer Muskelfunktionstherapie eintritt. Die drei Fragen in der Zielsetzung dieser Studie konnten alle positiv bestätigt werden.

Die in Fig. 1 gezeigte Altersgruppenverteilung stimmt überein sowohl mit der in der Literatur wiedergegebenen Population, als auch mit den Zitaten aus Schilderungen in Krankenberichten von Orofazialen Myologen. Neuere Entwicklungen reflektieren eine Häufigkeitszunahme bei Patienten über 17,5 Jahre. Dies erklärt sich aus der veränderten Erwartungshaltung in der heutigen Gesellschaft über Funktionsverbesserungen, Erwachsenenkieferorthopädie und Kosmetik/Ästhetik. Die heutige Bewusstheitszunahme gegenüber TMDs trägt bei zur Früherkennung und –Intervention. Prävention, und frühes Abfangen orofazialer Dysfunktionen erhöht das Potential für normales Wachstum und Entwicklung erheblich. Orofaziale Myofunktionstherapie vor, während und nach kieferorthopädischer Behandlung hilft bei der Erzielung von Langzeitstabilität für korrigierte orale Systeme.

Die vergleichenden statistischen Untersuchungen der Durchschnittswerte von Offenem Biss und Overjet vor und nach Behandlung zeigen, dass die OMT (Orofaziale Myofunktionstherapie) eine positive, vorauskalkulierbare Verbesserung der dentalen Okklusion erzeugt. Der p-Wert unter 0,0001 beinhaltet, dass die Nullhypothese, die konstatiert, dass „orofaziale Muskelfunktionstherapie keinen Einfluss hat auf dentale Malokklusion, Zahnbewegungen zum Offenen Biss und/oder zum Overjet" zurückgewiesen werden muss.

Das Geschlecht war kein Faktor für Verbesserung der dentalen Okklusion. Die in Tab.3 und Fig 4, 5 und 6 gezeigten Resultate quantifizieren, dass sowohl männliche, als auch weibliche Patienten ähnliche Verbesserungsmuster im Offenen Biss vorweisen, wie auch Tab. 4 und Fig. 7, 8 und 9 ähnliche Verbesserungsmuster im Overjet zeigen.

Es kann ferner bei Überprüfung der Gruppen A und N von Individuen die keine simultanen oder vorhergehenden Massnahmen erhielten untermauert werden, dass eine positive, signifikante Veränderung bezüglich der gesamten relativen oralen Verhältnisse eintrat mit einem p-Wert kleiner als ,0001 .(Tab 1a und 2a) Wie erwähnt, zeigt ANOVA, angewandt auf durchschnittliche Verbesserungen keine signifikanten statistischen Unterschiede bezüglich der oben beschriebenen Behandlungssequenzen (B, B.R, D, A und N). Die Studie war darauf ausgerichtet, die unabhängigen Effekte von OMT auf die Bezahnung zu diskutieren unter Selbstkontrolle zur Vermeidung einer potentiellen Ablehnung der Behandlung durch einen für die Untersuchung ausgewählten Probanden. Die Varianzanalyse zwischen der B und D Gruppe so wie der A und N Gruppe schuf eine natürliche Trennung der Individuen, die eine kieferorthopädische Behandlung erhalten hatten und denen, die diese nicht erhalten hatten. Die B.R Gruppe wurde aus der Varianzanalyse eliminiert, da diese Patienten eine orthodontische Behandlung erhalten hatten und überwiesen worden waren wegen Rückfalls im fraglichen Umfeld.

 

Da Messungen bei Offenem Biss und Overjet nicht vor der eigentlichen Kieferorthopädiebehandlung und dem darauf folgenden Rückfall vorgenommen werden konnten, wurde entschieden, dass der Mangel an Kontrollen mehr unbekannte Variablen hat, als das bei den anderen vier Gruppen der Fall ist. Die B und B.R Gruppen ähnelten sich nur darin, dass beide eine Kieferorthopädiebehandlung erhalten hatten. Während die B.R Gruppe wegen des Rückfall nach früherer Kieferorthopädiebehandlung überwiesen worden war, kam es bei der B Gruppe zur Überweisung , um die Stabilisierung des orofazialen Umfeldes zu unterstützen als Folgebehandlung nach Entbänderung und vor auffälligen Relapssymptomen

OMT –Behandlung stellt einen primären Beteiligungsfaktor fürs Zahnbewegung bei Patienten mit orofazialen Fehlfunktionen dar. Vergleicht man die Analyse der zusammengefassten Gruppen B und D mit A und N, so zeigt sich keine synergistische Verstärkung bezüglich vorheriger oder gleichzeitiger Kieferorthopädiebehandlung ( Tab. 7 und 8). Behandlungsresultate bei Patienten mit Kieferorthopädie nach vollendeter OMT (Gruppe A) sind im Wesentlichen die gleichen, wie die von Patienten ohne kieferorthopädischen Eingriff (Gruppe N). Das zeigt, dass Zahnstellungsverbesserungen erreicht wurden allein durch orofaziale Muskelfunktionstherapie.

Man könnte annehmen, dass, je älter der Patient, desto unwahrscheinlicher das Eintreten einer spontanen Verbesserung bezüglich der Zähne, besonders nach den „Wachstums- und Entwicklungs"-phasen.. Die Streupunkte für Offenen Biss (Fig. 10) und für Overjet (Fig.11) demonstrieren, dass Alter grundsätzlich irrelevant ist für eine zu erwartende Zahnbewegung. Die hier wiedergegebene Studie belegt statistisch, dass Patienten jeden Alters einen bestimmten Grad von Zahnbewegung erwarten können, wenn sie bei einem OMT Behandlungsprogramm teilnehmen.

 

 

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Zusammenfassung

 

             Die äusserst signifikanten Ergebnisse dieser Studie etablieren definitiv den therapeutisch nützlichen Effekt der orofazialen Muskelfunktionstherapie bei Verbesserung der dentalen Okklusion und der Verminderung von Offenem Biss und Overjet. Bei den angegebenen Resultaten handelt es sich eher um konservative Schätzungen wegen der Messmethodik. Das Messen und Aufnehmen eines jeden einzelnen Zahnes verdünnt unfraglich das Resultat, das hätte erzielt werden können, wenn ausschliesslich die vorderen Zähne in den Berechnungen berücksichtigt worden wären. Mancher mag auch die kleinen Millimeterveränderungen als nicht signifikant in Frage stellen. Die Veränderung reflektiert die relative Gesamtwertveränderung bei Inkorporierung aller Zähne im Zahnbogen, ohne die Analyse nur auf die Frontzähne zu beziehen. Die Nebenergebnisse der Studie bestätigen, dass Alter nicht unbedingt bei der Prognose für den Erfolg des Therapieprogrammes eine Rolle spielt. Weiterhin zeigt diese Studie, dass eine Verbesserung bei Offenem Biss und Overjet aus der OMT resultieren kann ohne vorherige oder simultane Kieferorthopädiebehandlung.

Vom Standpunkt der allgemeinen und öffentlichen Gesundheit ist die orofaziale Muskelfunktionstherapie eine klassische Form der Primärprävention, um allgemeine Gesundheit und Wohlbefinden des Individuums zu verbessern. Das Endresultat orofazialer Therapieprogramme ist die Erschaffung neuer neuromuskulärer Muster, die Korrektur der Funktions- und Ruhehaltung, Korrektur der Schluck-, Kau- und Still-muster und Eliminierung zerstörerischer Angewohnheiten. Stabilisierung und Erhaltung therapeutischer Ziele wird zu einem Teil des lebenslangen Lern- und Anpassungsprozesses.

Die Myofunktionelle Therapie verwendet Wissen und Können erworben durch multidisziplinäre Ausbildung und Fertigkeiten. Zertifizierte Fachkräfte aus der Dentalhygiene, Zahnmedizin, Sprachpathologie, Medizin, Stillen und anderen benachbarten Gesundheitsberufen mit fortschrittlich Ausbildung und Erfahrung haben Ihre Fähigkeit gezeigt, kollaborative, integrative und interdisziplinäre Grundversorgung zu bieten.

Hinweise und Quellenangaben auf frühe Forschungen und geschilderte Krankenberichte über Uneffektivität werden bedauerlicherweise überliefert und bestärken die dichotomöse Dilemma von „Form und Funktion". Stattdessen sollte das Erkennen der Abhängigkeit von Form und Funktion als verknüpfte, grundlegende Bestandteile zu mehr tatkräftigen Patientenüberweisungen für einen orofacialmyofunktionellen Therapieservice anspornen. Dies wiederum würde es ermöglichen, dass auf dem Spezialgebiet der Myofunktionellen Therapie die Effektivität der OMT bei der Bewegung von Zähnen positiv, kollaborativ und förderlich weiterhin bestätigt wird.

In Anbetracht der geringen Probandenzahl in dieser Studie sollten sich weitere Therapeuten angesprochen fühlen, zusätzliche Untersuchungen auf diesem Gebiet durchzuführen. Die physiologisch adaptiven Fähigkeiten des orofazialen Systems bedürfen weiterer Untersuchungen. Entwicklungsaspekte der Orofazial- und Kiefer-Neurophysiologie besonders bei Kindern sind selten in der Literatur zu finden. Die Behandlungskonzepte für spezielle dentale Malokklusionsformen basieren auf vielen Faktoren. Jede Malokklusionsklassifikation bietet die Möglichkeit für OMT-Forschung.

Eine besondere Schwierigkeit ergibt sich für den Therapeuten aus der moralischen und ethischen Verantwortung, die Behandlung anzubieten, wenn eine Dysfunktion diagnostiziert ist. Das Planen einer Studie und auswählen einer „Kontrollgruppe" ist kompliziert bezüglich des eher unethischen Aspekts, dass jemandem wissentlich die Therapie vorenthalten wird, wenn der Nutzen statistisch erwiesen und verfügbar ist. Setzt ein Studiendesign das Messergebnis als seine eigene Kontrolle ein, kann dies die Validität schlussfolgern und beweisen. Der nächstfolgende logische Test ist die Replizierung dieser Studie, um den Reliabilitätsgrad zu bestimmen.

Diese Fragestellung der LJ.O.M. nimmt Bezug auf die Effektivität der Orofazialen Myologiebehandlung (MFT-Behandlung) zur Verbesserung der Sprachartikulation, Eliminierung von Fingersaugen und Korrektur der Zahnokklusion. Es ist daher an der Zeit, dass die einzelnen Berufe von Dentalhygiene, Zahnmedizin, Medizin und Sprachheilkunde sich bewegen und die gegenwärtigen substantiellen Forschungsergebnisse und Veröffentlichungen, die die Philosophie der Prävention, Frühbehandlung und Heilbehandlung stützen zur Kenntnis nehmen.

Die dunklen Zeiten der Unverständnisses bleiben nur so lange dunkel, wie wir vergessen, das Licht einzuschalten. Ein Licht zu werfen auf die Wirksamkeit der OMT bezüglich der Zahnstellungskorrektur erfordert Patientenüberweisungen, Behandlung und ein Follow-Up. Nur so werden die Patienten in den Genuss von Langzeiterfolgen, Stabilität und Habitualisierung im Orofazialen Myofunktionellen System gelangen.

(Literaturverzeichnis siehe Originalarbeit. Die zitierten Autoren sind ausserdem in das Website-eigene Verzeichnis übernommen worden, siehe dort.)